Künstler: Claudia Liedtke und Ulrike Felder
Wir können der Wirklichkeit nicht habhaft werden. Wann immer man eine Landschaft abbildet, macht man eine Aussage über die Differenz zwischen etwas Existierendem und etwas Wahrgenommenem. Das Zeichensystem des Bildes zeigt gleichzeitig sowohl eine Szene als auch den Blick des Betrachters, von einem einmaligen Blickpunkt aus – dieser wird von dem Künstler und seiner Apparatur, sei es Kamera oder Hand, eingenommen – eine unendlich subjektive Welt in einem festgehaltenen Moment.
Verlassen in endloser Wildnis schreitet der Hirte
dahin durch wucherndes Gras
und sucht seinen Ochsen.
Weit fließt der Fluß, fern ragen die Gebirge,
und immer tiefer ins Verwachsene läuft der Pfad.
(Der Ochs und sein Hirte, Kuoan Shiyuan, China ca. 1150)
Vorsätzlich oder zufällig, werden die Spuren, die Verwundungen und Frakturen der Naturlandschaft in die Gefühlslandschaft der Erinnerung integriert, in einer semantischen Verschiebung werden diese Elemente in eine suggestive und persönliche malerische Kartographie überführt – ein Gestus, der unleugbar eine Wiedererfindung der Natur darstellt.
Eine Landschaft ist eine Ordnung von aufeinander bezogenen Orten, ein zu interpretierender Text, Zeitlichkeit, Geschichte, Erzählung. Die Natur ist immer überlagert von zugewiesenen Bedeutungen, in deren selbstgesponnenem Gewebe der Mensch verstrickt ist. Es gibt keine „Klischee-Natur“, die das „Ich“ am Erkennen einer „realen Natur“ hindert; Landschaften sind kognitive Konstruktionen, historische Begriffe mit begrenzter räumlicher und zeitlicher Gültigkeit. Landschaft muss nicht unmittelbar erlebt werden, sie kann im Geist als Inbild vorliegen.
Die Landschaft der Außenwelt hat keine Entdecker nötig, das Innere ist die terra incognita, und dort, wo äußere und innere Landschaft sich berühren, das Greifbare und Ungreifbare, Inbild und Bild verschmelzen, als Ergebnis von genauen Beobachtungen, intuitivem Experimentieren und der Befreiung von Unwesentlichem entstehen Bilder, die mit der Wirklichkeit in unserem Kopf viel genauer übereinstimmen als die „wirkliche“ Natur.
Text: Cem Angeli